1. Herr Brunner, Sie haben sich auf Schlafcoaching und Somnologie spezialisiert. Was versteht man unter Somnologie?
Das Wort setzt sich aus Schlaf (somnum) und Lehre (logos) zusammen, bezeichnet also das Fachgebiet der «Lehre vom Schlaf». Dieses umfasst die Schlafforschung und Schlafmedizin, entspricht in der Schweiz jedoch keiner medizinischen Disziplin und ist in der Ärzteausbildung unbedeutend. So werden im 6-jährigen Grundstudium bloss 4-8 Unterrichtsstunden dem Thema Schlaf gewidmet. Das geringe Interesse der Medizin an der Schlafgesundheit hat auch damit zu tun, dass der Schlaf – vergleichbar mit der Ernährung und Bewegung – keine Krankheit, sondern ein alltägliches Verhalten ist. Deshalb wird die Ernährungsberatung, Fitnessberatung und Physiotherapie an entsprechende Fachleute übertragen.
2. Was war Ihr Antrieb, sich nach vielen Jahren der universitären Ausbildung dem Schlafcoaching zu widmen?
Seit 25 Jahren gibt es Institutionen für Schlafmedizin, die von der schweizerischen Fachgesellschaft für Schlafforschung, Schlafmedizin und Chronobiologie akkreditiert werden. Diese Gesellschaft wird heute von Fachärzten aus den Disziplinen Neurologie, Pneumologie und Psychiatrie geleitet, on denen der Schlaf nicht im Mittelpunkt steht. Die meisten Schlafzentren konzentrieren sich daher auf organisch bedingte Schlafstörungen und deren medikamentöse oder apparative Behandlung. Die Versorgung von nicht-organischen Schlafstörungen wie Insomnie (Ein- und Durchschlafstörungen) wird aufgrund des Mangels an Fachleuten der Somnologie oft vernachlässigt. Weil Insomnie das häufigste Schlafproblem in der Bevölkerung ist, zielt meine Dienstleistung darauf ab, dem Mangel in der Beratung und Betreuung von Personen ohne organisches Schlafproblem entgegenzuwirken.
3. Wie würden Sie gesunden Schlaf beschreiben?
Ein gesunder Schlaf ist körperlich und geistig regenerierend und führt zu einem guten Befinden und einer stabilen Wachheit am folgenden Tag. Er besteht objektiv gemessen aus einer regelmässigen Abfolge von nonREM- und REM-Schlaf ohne häufige Schlafunterbrüche oder Weckreaktionen. Subjektiv ist guter Schlaf aber für jede Person etwas anderes. Die einen wünschen sich einen kurzen, durchgehenden oder traumlosen Schlaf, die anderen wollen acht Stunden pro Tag schlafen und gewisse wollen morgens ohne Anlaufphase fit aufstehen. Wenn der eigene Schlaf solchen fixen Vorstellungen nicht gerecht wird, finden viele ihren Schlaf als mangelhaft oder gestört.
4. Welche Schlafprobleme begegnen Ihnen in Ihrer Praxis am häufigsten, und wie beeinflussen diese das Leben der Betroffenen?
Die Personen, die meine Schlafberatung aufsuchen, leiden an Ein- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, verminderter Leistungsfähigkeit oder beängstigenden Schlafphänomenen wie Schnarchen, Schlafwandeln, Atemnot, Albträumen oder an unüblichem Verhalten im Schlaf. Diese Probleme können zu Besorgnis oder Existenzängsten führen und die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Nachdem Hausarztbehandlungen nicht geholfen haben und organische Ursachen ausgeschlossen wurden, suchen die Betroffenen um Rat und nach wirksamen Lösungen.
5. Können Sie uns einen Einblick in einen typischen Beratungsprozess geben, den eine Patientin oder ein Patient bei Ihnen durchläuft?
Das Abklärungs- und Beratungsgespräch beginnt mit einem ausführlichen Interview, in welchem alle schlafrelevanten Informationen von der betroffenen Person und allenfalls von den Angehörigen erfragt werden. Ein vorab ausgefüllter Fragebogen zu Schlafgewohnheiten und Symptomen hilft bei der Beratung. Danach besprechen wir die Therapie oder weitere Abklärungsschritte. Bei Ein- und Durchschlafstörungen reichen die Gesprächsinformationen meist aus, um die Diagnose zu stellen. Das nötige Wissen für die Therapie kann in 1-2 Stunden vermittelt werden.
6. Wie unterscheiden sich Ihre diagnostischen Methoden von einer Abklärung in der Hausarztpraxis oder einer herkömmlichen Schlafabklärung?
In meiner Sprechstunde können körperliche Ursachen des Schlafproblems ausgeschlossen oder bei Unklarheit mittels gezielter Messung weiter abgeklärt werden. Bevor wir Massnahmen besprechen, erkläre ich die Mechanismen der Schlafstörung detailliert. Wenn die Betroffenen ihre Störung verstehen, sind sie motivierter, die Empfehlungen umzusetzen, auch wenn es um Veränderungen von Lebensgewohnheiten geht. In einer normalen Arztpraxis fehlen oft das Fachwissen und die Zeit, um Schlafstörungen gründlich zu diagnostizieren und zu behandeln.
7. Welche einfachen Massnahmen oder Techniken empfehlen Sie, um die Schlafqualität zu verbessern?
Bei chronischer Insomnie sind die nachfolgenden Massnahmen für die meisten Personen durchführbar, vorausgesetzt, dass die Gründe und Wichtigkeit verständlich erklärt wurden. Leute, die mehrere Wochen schlecht schlafen und verzweifelt den Schlaf herbeisehnen sollen:
- in der Nacht konsequent nie auf die Uhr schauen
- an allen Tagen der Woche mit dem Wecker zur gleichen Zeit aufstehen, am Wochenende höchstens eine Stunde später
- In den letzten 3 Stunden vor Bettgehzeit körperlich und mental wach bleiben, indem sie liegende Positionen und völlige Passivität vermeiden
- nur dann zu Bett gehen, wenn sich Schläfrigkeit anbahnt
- bei frustrierter oder nervöser Wachzeit in der Nacht aufstehen, um einer sitzenden, ruhigen Tätigkeit nachzugehen, bis sie wieder schläfrig sind
- sich nach dem Mittag für eine Auszeit von 15 Minuten hinlegen und den Timer stellen, unabhängig davon, ob sie dabei einschlafen
8. Wie gehen Sie mit besonders hartnäckigen Fällen um, bei denen herkömmliche Ratschläge nicht zu wirken scheinen?
Zuerst werden allfällige Missverständnisse bezüglich Sinn und Zweck der einzelnen Ratschläge besprochen und nach konkreten Möglichkeiten der Umsetzung gesucht. Wenn korrekt eingehaltene Massnahmen nicht helfen, werden gleichzeitig bestehende Erkrankungen psychischer oder körperlicher Art besprochen, um diese einer wirksamen Behandlung zuzuführen. Neben komorbiden Krankheiten müssen auch eingenommene Medikamente und äussere Umstände als Störfaktoren für die fehlende Therapiewirkung in Betracht gezogen werden.
9. Was sind die häufigsten Missverständnisse oder Mythen über Schlaf, denen Sie begegnen?
Fälschlicherweise glauben viele, dass:
- ihr Schlaf konstant bleibt und keinen kurz- oder längerfristigen Schwankungen unterworfen sei.
- bei einem Schlafmanko spätes Aufwachen am Wochenende hilfreich sei.
- ihr Schlaftyp bezüglich Schlafdauer und tageszeitlicher Präferenz durch Gewohnheit entstanden ist und somit beeinflussbar sei.
- ihr Schlaf einer Norm entsprechen soll.
- Einschlaf- und Durchschlafprobleme nur mit Schlafmitteln behandelbar sind.
- nur ein durchgehender Schlaf gesund und erholsam sei.
10. Wie beeinflusst der moderne Lebensstil und die digitale Welt unsere Schlafgewohnheiten, und was können wir dagegen tun?
Die Lebensgewohnheiten und die Schlafkultur haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Durch die stets verfügbaren digitalen Medien verlängern wir den Tag und werden rund um die Uhr mit Licht und Unterhaltung stimuliert. Die moderne nonstop-Gesellschaft hat dadurch in den letzten 50 Jahren nicht nur die mittlere Schlafdauer um fast eine Stunde verkürzt, sondern auch den inneren 24-stündigen Rhythmus geschwächt, der für einen guten Nachtschlaf wichtig ist. Untersuchungen in verschiedenen Gesellschaftsschichten haben deutliche Unterschiede in der Schlafdauer und Schlafqualität gezeigt. Dabei spielen Faktoren wie die soziale Situation, die Schlafumgebung, die Sicherheit und Gesundheitsversorgung eine wichtige Rolle. Eine vorübergehende Zunahme von Schlafproblemen wegen hoher Anforderungen und Existenzängsten ist normal. Dies veranschaulichte etwa die Bankenkrise, die viele Personen der Finanzbranche zur Schlafberatung führte, die zuvor kaum Schlafprobleme kannten.
11. Welche Ratschläge haben Sie für jemanden, der gerade erst beginnt, seine Schlafprobleme ernsthaft anzugehen? Welche ersten Schritte sind am wichtigsten?
Ein relativ neuer, für viele Schlafgestörte aber ungesunder Trend, ist die Selbstmessung des eigenen Schlafs und die Beschäftigung mit den eigenen Schlafdaten. Bei Schlafproblemen führt dies meist zu grosser Verunsicherung und vermehrtem Schlafstress. Mit Applikationen auf dem Smartphone und Messgeräten am Handgelenk geraten diese Leute durch die täglichen Veränderungen der Resultate und durch Vergleiche mit Normdaten in Alarmbereitschaft. Ungenügendes Schlafwissen und unzulässige Interpretationen der Resultate haben eine kontraproduktive Wirkung. Zeigen die Resultate Auffälligkeiten oder einen unruhigen Schlaf beginnt der Tag mit negativen Erwartungen. Findet eine Person mit Schlafproblemen dann noch Medienberichte über die negativen Effekte von Schlafmangel ist es um einen guten Schlaf geschehen, und die Negativspirale der chronischen Insomnie nimmt ihren Lauf. Anstatt sich Selbstmessungen, unseriösen Heilsversprechen und kostspieligen Schlafuntersuchungen zuzuwenden, ist anfänglich eine professionelle Schlafberatung der effizientere Weg, um bei Unzufriedenheit oder Problemen mit dem Schlaf ein sinnvolles diagnostisches und therapeutisches Vorgehen zu finden.
Hast du Probleme mit deinem Schlaf?
Dann ist Daniel Brunner der richtige Ansprechpartner für dich. Er wird dir helfen, den Schlaf als wertvollen Freund zurückzugewinnen, der dich durch dein Leben trägt. Mit seiner langjährigen klinischen Ausbildung und Expertise entwickelt er individuelle Lösungen für deine Bedürfnisse und zeigt dir, wie du Stress abbauen und deine Schlafqualität verbessern kannst.